Themenfeld
Wissensproduktion und Wahrheitsregime zwischen Öffentlichkeit und Fachwissenschaft
Gegenwärtige Debatten um ein »postfaktisches Zeitalter« spiegeln ein zunehmendes Misstrauen gegenüber akademischem Expertenwissen wider. Dagegen erfreuen sich erfahrungsbasierte und emotionale Zugänge zu Wissen großer Popularität. Das Themenfeld nimmt Wissensproduktion und Erkenntniswege in heutigen und vergangenen Gesellschaften in den Blick und fragt nach den zeitspezifischen Kontexten von Plausibilität, Faktizität und Legitimität. Welche Rolle spielen Emotionen, Imaginationen, Genealogien, Materialität und mediale Eigenlogiken für die Entstehung epistemischer Autorität? Wie korrespondieren oder konkurrieren publizistische, populäre und wissenschaftliche Deutungspraktiken? Im Einzelnen beschäftigen sich die Projekte mit unterschiedlichen Hervorbringungen und Beglaubigungen historischer Narrative, mit performativen Geschichtspraktiken sowie mit der Visualisierung ethnisch-nationaler Gruppen.
Forschungsthemen
Dem Kommunismus auf der Spur
In historischen Stadtführungen wird Geschichte raumgebunden, mündlich und interaktiv erzählt. Am Beispiel der Präsentation des Staatssozialismus in kommerziellen Communism Tours untersucht das Projekt die Popularisierung, Kommodifizierung und Authentisierung von Zeitgeschichte in der gegenwärtigen Tourismusindustrie.
Figurationen des Wahrsprechens
Das Vorhaben vergleicht literarische und filmische Reflexionen der Transformation nach 1989 im östlichen Europa und Deutschland. Dabei liegt der Fokus auf Inszenierungen von Wahrheit und der Tendenz zur Radikalisierung der Diskurse bis hin zu neuen Formen der Dissidenz.
Geschichte als Ahnenkult
Im Zuge der Pluralisierung von Geschichtszugängen gelangen auch Vergangenheitsentwürfe von den rechten Rändern zunehmend in den Mainstream öffentlicher Geschichtskultur. Das Projekt untersucht, wie ethnizistischer und rassistischer Ahnenkult in populär- und subkulturellen Geschichtspraktiken rechtsextreme Ideen in die Mitte der Gesellschaft tragen kann.
Holocaust-Gedenken in der Ukraine nach dem 24.2.2022
Das Projekt widmet sich der Erinnerung an den Holocaust in der Ukraine. Mit Hilfe von Ansätzen der Oral History und der Digital History dokumentiert es Erinnerungsorte und untersucht zugleich die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die ukrainische Erinnerungskultur.
Institutionalisierte Erinnerung und ihre Grenzen
Die »deutschen Umsiedler« aus der Bukowina wurden erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu einer »buchenlanddeutschen Gemeinschaft«. Das Projekt untersucht die sinn- und identitätsstiftenden Praktiken der »Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen« und beleuchtet über ein Oral-History-Projekt insbesondere die Grenzen der Vergemeinschaftung.
Sowjetische Deportationen (1944-1955) – Erfahrungen und Erinnerungen
Die Untersuchung basiert auf Oral History-Interviews mit Opfern sowjetischer Repression, die in den 1940er Jahren aus dem westlichen Teil der Ukraine in den Osten der UdSSR, nach Sibirien und Kasachstan, deportiert wurden. Die Deportierten lebten dort in so genannten Spezialsiedlungen, die von den 1920er Jahren bis in die 1950er Jahre existierten. Das Projekt unternimmt eine narrative Analyse ihrer Geschichten und verortet diese in der Erinnerungskultur der unabhängigen Ukraine.
»Mein polnisches Tagebuch«: Ein Editionsprojekt zu den Memoiren eines Gendarmen aus Österreich im NS-besetzen Polen
Die Memoiren des ehemaligen österreichischen Gendarms Adolf Landl schildern den brutalen Besatzungsalltag in Polen aus der Sicht eines unmittelbar Beteiligten. Im Kooperationsprojekt entsteht eine kritische wissenschaftlichen Edition seiner Memoiren.