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Ostmitteleuropa im Vergleich
Forschungsspektrum
Forschen zum, mit und im östlichen Europa
Das GWZO zeichnet sich durch sein breites Forschungsspektrum und die interdisziplinäre Herangehensweise aus, die von der Spätantike bis in die Gegenwart reicht. Die Grundlagenforschung des GWZO verknüpft Methoden und Konzepte aus Archäologie, Mediävistik, Literaturwissenschaft, Osteuropastudien, Geschichtswissenschaft (insbesondere Kultur-, Politik-, Wirtschafts-, Sozial-, Rechts- und Wissenschaftsgeschichte sowie Klima-, Umwelt- und Globalgeschichte), Kunst- und Architekturgeschichte und interdisziplinären Kulturwissenschaften. Dabei werden auch naturwissenschaftliche Ansätze integriert.
Das breite Fächerspektrum und die Transepochalität der Forschung sind einzigartige Merkmale des GWZO im nationalen und internationalen Vergleich. Die etwa 80 Mitarbeitenden des GWZO verfügen über außergewöhnliche Sprachkompetenzen, die die kulturelle und sprachliche Vielfalt des östlichen Europa abdecken. Mit dieser Expertise trägt das Institut maßgeblich zum Verständnis historischer und aktueller Entwicklungen in den Staaten, Gesellschaften und Kulturen des östlichen Europa bei.
Die thematische Ausrichtung des GWZO, sowohl in den einzelnen Abteilungen und Nachwuchsforschungsgruppen als auch institutsübergreifend, reflektiert ein starkes Bewusstsein für die Historizität gegenwärtiger gesellschaftlicher Herausforderungen.
Nach der positiven Evaluierung 2022 wird das GWZO in den kommenden Jahren seine Stärken in der interepochalen und interdisziplinären Erforschung der ostmitteleuropäischen Großregion weiter ausbauen und neue inhaltliche und konzeptionelle Akzente setzen. Die Forschung wird weiterhin von der Spätantike bis zur Gegenwart reichen, in den am Institut vertretenen Disziplinen verankert sein und sich durch transdisziplinäre Offenheit sowie einen reflexiven Zugang zur räumlichen Dimension auf allen Ebenen auszeichnen.
Abteilungen und Nachwuchsforschungsgruppen
Die Forschungsstruktur des Instituts besteht seit 2017 aus den Abteilungen »Mensch und Umwelt«, »Kultur und Imagination« und »Verflechtung und Globalisierung« sowie der haushaltsfinanzierten Nachwuchsforschungsgruppe »Ostmitteleuropa im Vergleich«. Eine weitere drittmittelfinanzierte Nachwuchsforschungsgruppe zur historischen Klimaforschung ist in der Abteilung »Mensch und Umwelt« angesiedelt. Ab 2025 wird die Forschungsstruktur des GWZO durch die neue Forschungs- und Transferabteilung »Wissen und Partizipation. Schnittstelle Leipzig-Prag« ergänzt, die durch Mittel eines 2024 genehmigten kleinen strategischen Sondertatbestands finanziert wird. Die in der Direktion erbrachten Forschungsleistungen sind unter Berücksichtigung von inhaltlichen, disziplinären, methodologischen u. a. Kriterien in den einzelnen Abteilungen angesiedelt. In den Abteilungen und Nachwuchsforschungsgruppen sowie in fünf 2022 neu angelegten Arbeitsgruppen arbeiten wir epochenübergreifend und interdisziplinär zu historischen und kulturellen Entwicklungs- und Verflechtungsprozessen in der Region zwischen Ostsee, Schwarzem Meer und Adria von der Spätantike bis zur Gegenwart.
Mensch und Umwelt
In der Abteilung »Mensch und Umwelt« wird der menschliche Einfluss auf die Natur- und Kulturlandschaften des östlichen Europa und vice versa erforscht. Zur Abteilung gehören Forschungsthemen zur Moderne ebenso wie zur vormodernen Zeit, die durch Archäologie und Mediävistik besonders stark vertreten sind. Durch die 2017 hinzugekommene Nachwuchsforschungsgruppe »The Dantean Anomaly (1309–1312) – Rapid Climate Change and Late Medieval Europe in a Global Perspective« wurde dieser epochale Schwerpunkt nochmals gestärkt. Damit wurden zudem die Weichen für den Auf- und Ausbau eines neuen klimahistorischen Forschungsschwerpunkts am GWZO gestellt.
Ostmitteleuropa im Vergleich
In der 2019 entstandenen Nachwuchsgruppe »Ostmitteleuropa im Vergleich« werden kultureller und gesellschaftlicher Wandel im intra- und transregionalen Vergleich mit Blick auf Europa und andere Weltregionen untersucht.
Kultur und Imagination
Die Abteilung »Kultur und Imagination«, in der Kulturwissenschaft, Kunstgeschichte, insbesondere Architekturgeschichte, Literaturwissenschaft und Geschichtswissenschaft vertreten sind, fokussiert kulturelle Muster und gesellschaftliche Veränderungsprozesse von der Frühen Neuzeit bis zur Moderne, die sich in Kunst, Literatur, Architektur und Urbanistik, verschiedenen Feldern der Populärkultur sowie in wissenschaftlichen und politisch-sozialen Konzepten artikulieren.
Verflechtung und Globalisierung
Die Forschungen der Abteilung »Verflechtung und Globalisierung« zielen auf die Erklärung von transnationalen und transregionalen Verflechtungs-, Verräumlichungs- und Kommunikationsprozessen in Wirtschaft, Kultur, Politik, Recht und Wissenschaft. Zum Fächerspektrum gehören vergleichende Area Studies, Kunstgeschichte und Geschichte mit einem Fokus auf der Moderne und Rückgriffen bis in die Frühe Neuzeit.
Wissen und Partizipation. Schnittstelle Leipzig-Prag
Auf der Grundlage eines im Leibniz-Verfahren genehmigten kleinen strategischen Sondertatbestands wird ab 2025 eine neue Abteilung in Prag aufgebaut, in deren inhaltlichen Fokus das Thema des Bürgerwissens (Citizen Science) steht. Sie wird das Verhältnis zwischen akademisch und außerakademisch erzeugtem Wissen in historischer, gegenwärtiger und transnationaler Perspektive untersuchen und auch als methodisch-theoretisches Labor für Bürgerwissen und -beteiligung dienen.
1. Genese und Transformation von Wissen
Eine verbindende Fragestellung zahlreicher Forschungsthemen am GWZO ist, welches Wissen über Vergangenheit für Gesellschaften relevant ist und in welchen Selbstverständigungsdebatten unterschiedlicher Gruppen dieses aktiviert wird (Leibniz-Forschungsverbund »Wert der Vergangenheit«). Sie liegt mehreren zukunftsweisenden Anträgen zugrunde, die Populärkultur und Erfahrungsgeschichte deutlich stärker als bislang berücksichtigen und wird auch mit Bezug zu einer Public Archaeology zwischen Archäologie und Zeitgeschichte kontinuierlich weiterentwickelt.
Fortgesetzt wird die in Archäologie und Mediävistik bereits stark ausgebaute Zusammenarbeit mit naturwissenschaftlichen Disziplinen. In diese Richtung weisen weitere Initiativen zur transnationalen Verflechtungsgeschichte der Geo- und Biowissenschaften mit dem Ziel, Naturgeschichte und Kulturgeschichte wissenschaftshistorisch zusammenzudenken.
2. (Um)gestaltung und Imagination von Raum
Dieses traditionell starke Thema am GWZO wird mit neuen, unterschiedlichen Fokussen bearbeitet. Begonnene Forschungsschwerpunkte und Vernetzungen zur Ressourcennutzung werden fortgesetzt, wobei als ein wichtiger Ort der außerinstitutionellen Vernetzung das Leibniz-Forschungsnetzwerk »Wissen für nachhaltige Entwicklung« (LFN Sustain) zu nennen ist, in dem die Untersuchungen aus dem GWZO für ökologische Raumplanung und Nachhaltigkeitsforschung nutzbar gemacht werden können. Wie sich Landschaften unter dem Eindruck der Ressourcennutzung veränderten, verbindet mehrere Forschungsthemen, die von der Spätantike bis zur Gegenwart reichen und die nach dem Wandel von Natur- und Kulturlandschaften durch Ressourcennutzung fragen. Geplante Projekte untersuchen die Transformation von Bergbaulandschaften der jüngeren Gegenwart.
Als Querschnittsthema des Hauses wird die Infrastrukturgeschichte des Wassers bzw. der Wasserwirtschaft hinterlegt. An der Schnittstelle von Umwelt-, Infrastruktur- und Wirtschaftsgeschichte werden künstliche Wasserwege (grenzüberschreitende Kanäle und Schiffbarmachungen von Flüssen) sowie Wassernutzung allgemein im östlichen Europa das verbindende Thema sein.
Die kulturelle Prägekraft von Raumgestaltung wird auch weiterhin eine wichtige Fragestellung sein. Eine perspektivische Neuerung verspricht die geplante Beschäftigung mit Raumerfahrungen und die Zuwendung zur sensorischen Dimension von Stadt- und Naturraum.
3. Praktiken des Wirtschaftens
Zusammengeführt und im GWZO neu perspektiviert werden Fragen zu den Praktiken des Wirtschaftens. Die bisher vorrangig makroökonomische Prozesse und wirtschaftspolitisches Handeln analysierenden wirtschaftshistorischen Forschungen in der Abteilung »Verflechtung und Globalisierung« werden dialogisch verschränkt mit stärker werdenden Interessen an einer Sozial- und Alltagsgeschichte von Wirtschaft, die auch Kleingewerbe, Kunstgewerbe und die ökonomische Seite erinnerungskultureller Phänomene und Prozesse umfasst (Leibniz-Forschungsverbund »Wert der Vergangenheit«). Zudem soll schrittweise die Kategorie »Geschlecht« im Feld der Arbeits- und Wirtschaftsgeschichte gestärkt werden.
4. Globalgeschichte als epochenübergreifendes Profil
Für die Weiterentwicklung des Instituts wird die globalhistorisch eingebettete Geschichte des östlichen Europa – bislang vor allem in der Moderne stark – als epochenübergreifendes Profil hinterlegt. Darüber hinaus wird das GWZO weiterhin zu den konzeptionellen Grundlagen einer Globalgeschichte Osteuropas arbeiten, die eine stärkere Verankerung der Geschichte des östli-chen Europa im Fach Geschichte zum Ziel hat, konzeptionelle Angebote für andere Area Studies bereithalten und zudem im Institut die Beschäftigung mit dem Leitthema »Regionalisierungen und Transregionalisierungen« aus einer globalhistorischen Perspektive voranbringen möchte.
5. »Nach der Gewalt«
Zu einem langfristig zu entwickelnden Querschnittsthema des Hauses werden Fragen nach der Beendigung von (kriegerischer) Gewalt und den darauffolgenden innergesellschaftlichen Transformationen von Gewalt in verschiedenen Gemeinschaften in unterschiedlichen Zeiten entwickelt (Arbeitstitel »Nach der Gewalt«). Hierzu sollen in den kommenden Jahren etablierte Themenschwerpunkte des GWZO im Bereich des Völkerrechts, der Beutekunst (Bellum et Artes) und des Umgangs mit Kulturerbe in Postkonfliktsituationen, der Friedensschlüsse (aktuelles Buchprojekt der Abteilung »Mensch und Umwelt«) und der ostmitteleuropäischen Monarchien des Spätmittelalters als stabilisierende Faktoren nach Dynastiewechseln (Geschichte und Kunstgeschichte des Mittelalters) zusammengeführt werden und vor allem in Hinblick auf das Nachwirken von Gewalt und das innergesellschaftliche Weiterwirken von Gewalterfahrungen neu perspektiviert werden.