Topic
Die imperiale Bedeutungszuschreibung zentralasiatischer Sozialräume
Das Projekt rekonstruiert geografische Vorstellungen von Sozialräumen in Reiseberichten über Zentralasien für das Russische Reich und deren Transformation von 1839 bis 1905. Dabei wird eine Vielzahl von Kommunikationsebenen berücksichtigt, wie zum Beispiel die Beziehungen zwischen den Autor*innen und Verleger*innen, die Motivationen für die Reisen und die Netzwerke der Autor*innen.
Die imperiale Bedeutungszuschreibung zentralasiatischer Sozialräume: Eine Studie über geografische Imaginationen in Reiseberichten für das Russländische Reich (1839-1905)
Wie wurden die neu eroberten Länder zu einem Teil der imperialen Vorstellungswelt? Die Grundannahme dieser Studie ist, dass Sinnzuschreibungen für die Errichtung von Imperien von grundlegender Bedeutung waren. In der modernen Geschichtsschreibung ist ein wachsendes Interesse an den verschiedenen geografischen Vorstellungen der expandierenden Imperien zu beobachten. Während die Forschung die zentralen Inhalte imperialer Diskurse ausführlich erörtert hat, wurde dem Mechanismus ihrer Produktion bislang nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Das Hauptziel dieses Projekts ist es, die Prozesse der Bedeutungszuschreibung während einer imperialen Expansion zu rekonstruieren, indem die Produktion geografischer Vorstellungen für das Russländische Reich während der Eroberung und Kolonisierung (1839-1905) Zentralasiens nachgezeichnet wird. Die Genrekonventionen der Reisebeschreibungen sowie gemeinsame Tropen (wiederkehrende Motive, Erzählmuster und Stilfiguren) werden im Hinblick auf geschlechtsspezifische, ethnische und statusbezogene Unterschiede analysiert. Darüber hinaus wird der Reisebericht als Teil komplexer sozialer Kommunikation untersucht, indem die Netzwerke und Hierarchien rekonstruiert werden, die an der Textproduktion beteiligt sind. So werden Texte als Ergebnis eines Interaktionsprozesses mit mehreren Akteur*innen betrachtet, an dem Autor*innen, Verleger*innen, Leser*innen und weitere Akteur*innen beteiligt sind. Ziel ist es, eine Methodik zur Untersuchung von Reiseberichten zu entwickeln, die nicht nur die diskursiven Strategien und Voreingenommenheiten der Autor*innen berücksichtigt, sondern auch den komplexen Hintergrund der Entstehung und Verbreitung von Texten.